Grundlagen Obstbaumschnitt

Einleitend zunächst ein Hinweis zur Pflanzung eines Jungbaumes:

Bester Zeitpunkt ist immer im Herbst, nicht im Frühjahr. Im Herbst/Winter können sich genügend Wurzeln ausbilden, um bereits gefestigt in den Wachstum ins Frühjahr und den Frühsommer zu gehen. Dagegen wird ein im Frühjahr gepflanzter Baum schnell unter Wassermangel leiden, da er nicht schnell genug Wurzeln bilden kann. Aufgrund der in den letzten Jahren extrem trockenen Frühjahre und Sommermonate war dieser Effekt noch verstärkt.

Grundlagen zum Obstbaumschnitt

Werkzeug:

Bitte benutzen Sie nur Scheren mit scharfen Klingen, die einen sauberen geraden Schnitt ohne Quetschung oder Ausriß ermöglichen. Am Besten geeignet sind einschneidige Scheren, für dickere Äste eine Astschere und eine Baumsäge für große Schnittmaßnahmen.

Der richtige Schnitt:

Der Schnitt von Trieben und Ästen erfolgt knapp oberhalb einer Knospe, schräg angesetzt - nicht zu flach, nicht zu steil - im Winkel von ca. 60°. Also ein schräger Verlauf, beginnend von knapp über der Knospe, schräg unterhalb der Knospe auf der Gegenseite endend. Keine Stummel schneiden!

   

Abb. links: zu lange, Stummel;   mitte: zu kurz, direkt an der Knospe;   rechts: richtig

Sollten sie einen größeren Ast direkt an Stamm oder Leitast entfernen, beachten sie bitte, dass sie nicht zu knapp am Stamm schneiden und auch keinen Stummel stehen lassen. Hier sollte stammnah ein leicht schräger Schnitt im rechten Winkel zur Ast-Mittelachse erfolgen.

Beste Schnittzeit:

Am Besten schneiden sie, wenn es Zeit und die Anzahl ihrer Bäume zulässt, erst kurz vor dem Austrieb der Knospen, also ca. Ende Februar / Anfang März. Zumindest sollten sie bis nach den schweren Frösten warten. 

Stammform/Aufbau:

Der klassische Schnitt in Baden-Württemberg ist der Erziehungsschnitt zu einer Pyramidenkrone.

Wichtig ist, dass viel Luft und Licht durch die Krone auch in innere und untere Bereiche des Baumes dringen können und der Baum von der Statik her, eine ausgeglichene Ast- und Gewichtsverteilung hat.

Daher wird klassisch ein Baum mit einer Stammverlängerung (der mittlere senkrechte Trieb) und idealerweise 3-4 gleichmäßig sternförmig angeordneten Leitästen (Hauptäste) aufgebaut. Diese haben idealerweise einen schräg nach oben gerichteten Austrittswinkel von 60°. Flache Leitäste von max. 90° sind nicht ideal, aber in Ordnung. Steilere Winkel unter 60° können problematisch werden, da sie gerne in den Stamm einschlitzen und diesen empfindlich verletzen („Schlitzäste“).

Die Leitäste ordnen sich in ihrer Länge der Krone unter, indem sie von der Stammspitze betrachtet, nicht höher als einen Winkel von 60° zur Spitze erreichen (man stelle sich einen umgekehrten Trichter auf der Stammspitze vor, der einen Winkel von 120°, also zu jeder Seite von der Mittelachse einen Winkel von 60° schräg nach unten hat).  

     

Abb.: vorher / nachher

Wachstumsgesetze Auswirkung und Nutzen:

Hilfreich ist, die Wachstumsgesetze des Baumes zu kennen:

Der Saftstrom wird immer dem höchsten Punkt eines Leitastes oder der Stammverlängerung folgen und diese Punkte am stärksten versorgen. Somit wird an diesen Stellen der Neutrieb immer am stärksten sein. 

Dieses Naturgesetz kann bei mangelnder Pflege zu Problemen und schneller Alterung oder Überlastung der Statik führen: Wasserschosse stehen senkrecht auf den Leitästen und schießen in enormem Wachstum empor. Die eigentliche Stammverlängerung bekommt senkrecht stehende Konkurrenztriebe. Zu steil stehende Äste werden zu sog. Schlitzästen, die unter Last schnell abbrechen und den Stamm so empfindlich und dauerhaft schädigen. Das Selbe gilt für zu flache Äste, die unter Fruchtlast meist einen Drehbruch (Splitterbruch) erleiden.

Ein weiterer Effekt leitet sich daraus (leider) auch ab: 

Starker Rückschnitt = starker Wachstumstrieb. Man kann pauschal sagen, dass an jeder Schnittstelle rund 3-5 neue Austriebe entstehen! Also daher lieber wenig große kräftige Schnittmaßnahmen als viele kleine Schnittmaßnahmen! Insgesamt sollten nicht mehr als 30% Holzmenge ausgeschnitten werden.

Man kann dieses Naturgesetz aber auch bewusst nutzen, indem beim Schnitt gezielt Äste eingekürzt und die Schnittstelle entsprechend des gewünschten Aufbaus gewählt wird, das sogenannte 

 Abb.: Wasserschoß

„Absetzen“ eines Astes:

Generell wird die Knospe über der geschnitten wurde, den stärksten Austrieb bringen (vorausgesetzt der Schnitt ist richtig erfolgt). 

Liegt die Knospe unten, treibt sie zunächst nach unten aus, um dann in leichtem Bogen nach oben zu streben, die Verlängerung wird also ausladender, flacher „abgesetzt“. So kann man den Ast bewusst in die Breite oder falcher gestalten (immer die Saftwage und den Winkel 60° schräg nach oben beachten!).

Liegt die Knospe dagegen oben, wird der Neutrieb in leicht schrägem Winkel stark nach oben streben. So kann man den Ast steiler steuern, also den Baum schmäler gestalten. 

Stärke des Rückschnittes:

Ein kurzer Rückschnitt um wenige Knospenansätze des einjährigen Triebes, führt zu geringem Neuholz-Austrieb und viel Blütenbildung.

Ein mittlerer Rückschnitt auf etwa 1/3 bis zur Hälfte des einjährigen Triebes, regt den Baum zu einem starken Neuholz-Austrieb und geringer Blütenbildung an.

Ist der Rückschnitt zu stark, kann es sein, dass nur ein schwacher Austrieb erfolgt.

Fruchtholz / Knospenform:

Wie erkenne ich das Fruchtholz?

Apfel- und Birnenbäume tragen ihre Blüten in der Regel am 2-jährigen Holz. Die Knospen sind dicker, als die schlankeren flach anliegenden „Triebknospen“ am einjährigen Holz. Außerdem ist das einjährige Holz meist heller oder gräulicher als das ältere dunklere Holz. Sauerkirschen blühen dagegen am einjährigen Holz!

 

Alle Theorie schön und gut, aber wie fange ich nun an?

Schauen sie sich zunächst ihren Baum von allen Richtungen an:

Kommt genug Luft ins Bauminnere?

- Zunächst alle Wasserschosse entfernen.

- Senkrecht stehende Konkurrenztriebe zur Stammverlängerung aber auch zu den Leitastspitzen entfernen.

- Nach innen wachsende Äste entfernen.

- Angerissene, abgebrochene und abgestorbene Äste entfernen.

- Alte Äste, die kaum mehr Fruchtansatz oder Wachstum haben entweder entfernen (sofern nicht Leitast) oder durch Einkürzen zu neuem Wachstum anregen.

Jetzt müsste der Baum schon viel luftiger sein.

Ist die leicht kugelige Pyramidenform zu erkennen? Was stört die Form? 

Alles was herausragt muß weg, also entsprechend durch Absetzen eingekürzt werden.

Schauen sie sich die Stammitte in der Krone an. Strebt sie zu hoch?

Dann kürzen Sie sie zunächst um ca. 1/3 ein. Setzen sie je nach gewünschter Einkürzug auf eine ideal liegende Knospe oder etwas tiefer einen in idealem Winkel direkt aus der Stammverlängerung nach oben strebenden Ast ab. Die verbleibende Verlängerung (Knospe oder Ast) sollte immer zur eigentlichen Stammmitte des Wurzelstockes zeigen. Somit bleibt der Stamm in seiner Statik im Zentrum.

Nun die (Haupt)-Leitäste durch absetzen in die Saftwaage

(Winkel 60° von der Stammspitze / umgedrehter Trichter) bringen. Also keine Astspitze ist höher angeordnet als eine andere und im Winkel von 60° der Stammspitze untergeordnet.

Jetzt noch je nach Alter des Baumes die dem Leitast konkurrierenden Seitentriebe durch Absetzen einkürzen. 

In beiden Fällen gezielt die Form steuern (zur Erinnerung: Knospe oben = steiler/schmäler; Knospe unten = breiter/flacher).

Abb.: "Absetzen" der zu langen und zu weit ausladenden Äste auf einen ideal nach oben strebenden Ast. Aufbau der runden Form

Ein Leitast sollte immer gleichmäßig und gerade schräg nach oben und außen streben. 

Nicht ins Fruchtholz schneiden! Nur das einjährige Holz schneiden. Apfel- und Birnenbäume blühen am 2jährigen Holz. 

 Immer daran denken: 

Der höchste Punkt in jeder Ebene, und an jedem Ast des Baumes, erhält den stärksten Saftstrom und somit stärksten Wachstum!

Sollten sie einen starken Ast zurückschneiden, immer erst von unten ein Stück einschneiden, bevor sie von oben zu sägen beginnen. Sie vermeiden somit das Einschlitzen in den Stamm bzw. Bereiche des verbleibenden Astes. 

Insgesamt sollten sie nicht mehr als 30% des ursprünglichen Holzvolumen entfernen. Sollte ein noch stärkerer Rückschnitt notwendig sein, verteilen sie ihn auf mehrere Jahre (Jede Schnittstelle verursacht 3-5 Neutriebe – sie erhalten sonst einen „Bubikopf“).

Wir wünschen Ihnen nun ein gutes Gelingen. 

Ihr OGV Heimerdingen

MK